Schmetterlinge im Bauch
Über 200 Teilnehmer trafen sich am Freitag, dem 26. März 2010, im voll besetzten Walserhaus in Hirschegg/Kleinwalsertal zu den 16. Kleinwalsertaler Dialogen. Die Walser Raiffeisen Holding hat in diesem Jahr den Mensch als zentrale Erfolgsvoraussetzung im Tourismus in den Mittelpunkt der Fachtagung gestellt. Mag. Willi Fritz, Vorstandsvorsitzender der Walser Raiffeisen Holding, erklärte in seiner Begrüßung: „Der Mensch soll heute aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Der Mensch als Unternehmer, als politisch Verantwortlicher, als Mitarbeiter und natürlich auch als Gast“. Die Kleinwalsertaler Dialoge haben mittlerweile auch eine Anziehungskraft für neue Zielgruppen entwickelt. Über 40 Schüler und Studenten aus dem Kleinwalsertal, dem Bregenzerwald und dem Allgäu lauschten interessiert den Ausführungen der Referenten und den Diskussionsrunden.
Dr. Maja Storch, Psychologin und Psychoanalytikerin von der Universität Zürich, referierte zum Thema „Klug entscheiden mit Kopf und Bauch“. Wenn man wisse, wie es geht, können Entscheidungen ausgesprochen lustvoll sein. Wer gute Entscheidungen treffe, habe mehr vom Leben. Das wichtigste Hilfsmittel für gute Entscheidungen sei der eigene Körper. Für kluge Entscheidungen brauche es jedoch mehr als einen klaren Kopf. Storch betonte: „Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen, dass wir Körpersignale und begleitende Emotionen dringend benötigen, um Entscheidungen zu treffen, die ein zufriedenes Leben ermöglichen“. Körpergefühle, wie die berühmten „Schmetterlinge im Bauch“, seien keine Störfaktoren. Vielmehr sollten wir lernen, diese Signale, die auch als somatische Marker bezeichnet werden, zu nutzen. Um ein Ziel zu erreichen müsse der Mensch versuchen, zwischen Verstand und den somatischen Markern eine Einheit herzustellen. Dies sei mit verschiedenen Techniken möglich. Storch nannte beispielsweise die Verknüpfung eines formulierten Zieles mit einem Bild und entsprechenden Gefühlen. Die Körpergefühle haben insbesondere auch im Tourismus eine große Bedeutung. Jeder Mensch bewerte Ereignisse in Sekundenbruchteilen und entwickle dafür ein positives oder negatives Körpergefühl. Und jeder Gast habe dabei unterschiedliche Vorlieben und Abneigungen. Um bei einem Gast mit angenehmen Gefühlen im Gedächtnis hängen zu bleiben, würden positive Überraschungen helfen. Wir müssen uns täglich die Frage stellen, wie wir unsere Gäste und Kunden positiv überraschen können.
Was treibt den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel? Diese Frage versuchte Dr. David Bosshart, Vorsitzender des Gottlieb Duttweiler Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Zürich, zu beantworten. Das Verrückte von heute sei die Normalität von morgen. Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel gehe rasend schnell weiter und an vielen Menschen vorbei. Bosshart meinte, dass Scheuklappen nichts nützen würden: „Damit verpassen wir auch Chancen, neue Geschäfte zu erschließen. Nur wer die wichtigen Trends kennt, kann auch lernen, was veränderbar ist und was nicht“. Wer etwas bewahren wolle, was ihm wichtig sei, müsse mit allen Sinnesantennen die Welt beobachten. In seinem Vortrag zeigte Bosshart die wichtigsten Trends und Gegentrends auf. Der Tourismus sei eine ausgesprochen trendempfindliche Branche, weil die unterschiedlichsten Bereiche betroffen seien – von der Hotellerie über die Gastronomie bis hin zum Einzelhandel und den Banken. Was bedeute Regionalität in einer immer globaleren Welt, in der es keine mentalen Grenzen mehr gebe? Welche Rolle spielt der Klimawandel? Wird der Winter der neue Sommer? Verschwimmen die saisonalen Grenzen? Bosshart erklärte anhand von vielen Beispielen mögliche Auswirkungen und Trends und empfahl jedem Unternehmer: „Seien sie mutig, aber nicht übermütig“. Neue Trends sah er in den Bereichen Natur fördern, mehr Konzentration auf den Dienstleistungsbereich, weniger Abfall produzieren, bessere Qualität bieten und nachhaltiges Wirtschaften. Er plädierte außerdem für mehr Frauen und Weiblichkeit in den Unternehmen und konnte auch Krisen etwas abgewinnen: „Wir brauchen Krisen, sonst lernen wir nichts“.
Die Management-Vordenkerin Anja Förster liebt es, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Wege einzuschlagen. Unter dem Titel „Alles außer gewöhnlich – Erfolg durch intelligenten Regelbruch“ ermunterte sie das Publikum, sich von Denkschablonen zu befreien und mutig Neues anzupacken. In ihrem leidenschaftlichen Vortrag plädierte sie für ein neues Management: „Wir müssen es wagen, anders zu sein und scheinbar unumstößliche Gesetze unserer Organisationen und Branchen intelligent in Frage zu stellen“. In jedem von uns schlummerten unentdeckte Potenziale, die es zu wecken gelte. Viele Mitarbeiter seien intelligent, sorgfältig und gehorsam, doch das reiche für wirklich erfolgreiche Unternehmen nicht aus: „Wir brauchen Mitarbeiter mit Leidenschaft, Kreativität und Initiative“. Diese drei Faktoren seien nicht trainierbar. Hier sei der Unternehmer gefordert, entsprechende Motivationsarbeit zu leisten. Zum Beispiel durch eine radikale Überprüfung der bisher gelebten Management-Prinzipien. Es brauche Freiraum und Vertrauen. Förster empfahl innovativen Unternehmen über den Tellerrand hinaus zu schauen. Querdenken statt Benchmarking sei die Devise. Homogenität sei der größte Killer von Innovationen und sie empfahl den Zuhörern: „Umgeben sie sich mit Leuten, die nicht zu ihnen passen“.
Gekonnt professionell moderierte Dr. Karl Waltle aus Bregenz die Tagung und die interessanten Diskussionsrunden. Wie die vielen positiven Reaktionen der Teilnehmer zeigten, hat die Walser Raiffeisen Holding mit den Kleinwalsertaler Dialogen 2010 wieder einmal den richtigen Nerv getroffen.